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16. Oktober 2019

Mit dem SV Gmünd schwimmen lernen – dank Willkommen im Sport

Die Zweitklässler der Uhlandhalle halten am Dienstag im Gmünder Hallenbad die Bande mit dem Slogan „Willkommen im Sport“ begeistert fest. So heißt das seit 2015 laufende bundesweite Projekt, das Geflüchtete in Deutschland an Sportangebote heranführen, soll. Annette Widmann-Mauz, die Regierungsbeauftragte für Migration, Integration und Flüchtlinge stellt dafür Fördermittel über 800.000 Euro zur Verfügung. Der Schwimmverband Württemberg und der Landessportverband Baden-Württemberg wollen nun ihre Vereine bei der Realisierung des Projekts strukturell, organisatorisch und finanziell unterstützen. Weil der Schwimmverein Gmünd in Sachen Integration und auch Inklusion durch Schwimmunterricht im Land ein Vorbild ist, sind Sergij Gergert vom LSV und Christina Kaiser vom SVW gekommen, um aus dem Erfahrungsschatz der Gmünder zu schöpfen. Vorsitzender Roland Wendel „wirft“ die Verbandsfunktionäre gleich ins nicht kalte, sondern dienstags warme Wasser: Im Nichtschwimmerbecken unterstützt gerade Claudia Schneider Lehrerin Silvia Knoll-Heinzmann und FSJ-ler Altin Kadrija beim Schwimmunterricht für die Uhlandschüler, die fröhlich durchs Wasser pflügen.

Claudia Schneider, Gabi von Abel, Marion Schwab, Daniela Stotz und Steffi Lewis sind die Übungsleiterinnen des SVG, die mit ansteckender Begeisterung und hoher Fachkompetenz das einzigartige „Gmünder Modell“ mit Leben erfüllen: Der Schwimmverein ist mittlerweile Kooperationspartner von 16 Grundschulen und sieben Kindergärten (siehe Infokasten). „Wir in Gmünd reden nicht, wir packen an“, sagt Roland Wendel und erklärt seine Zielsetzung: „Grundsätzlich sollen Kinder in einem Land wie Deutschland schwimmen können. Das lernen aber immer weniger durch ihre Eltern oder die Schule. Deshalb übernehmen wir diese Aufgabe, nicht zuletzt weil wir als Leistungssportverein nur dann eine Zukunft haben, wenn junge Menschen überhaupt schwimmen können. Gleichzeitig leisten wir damit auch einen großen Beitrag zur Integration und zur Inklusion.“ Die Realität ist dramatisch: Die Zahl der Ertrinkungstoten steigt, wie Statistiken der DLRG belegen, seit Jahren deutlich an. Und die Nichtschwimmerquote bei Erstklässlern liegt in Gmünd inzwischen bei rund 80, in manchen Schulen sogar bei 100 Prozent. Dabei findet in Gmünd noch in fast allen Schulen dank der Unterstützung durch den SVG überhaupt ein Schwimmunterricht statt. In Baden-Württemberg steht in fast jeder vierten Grundschule Schwimmen gar nicht mehr auf dem Stundenplan, weil es in der Nähe keine Schwimmbäder und keine qualifizierten Lehrer gibt.

Schwimmkurse für Flüchtlinge anzubieten sei aus humanitärer Sicht erstrebenswert, stößt aber in der Praxis an Grenzen, erklärt Vorstand Roland Wendel den Verbandsvertretern: „Viele reden nur, in Gmünd gab es sogar einen eigenen Flüchtlingsschwimmverein, doch als die Kameras der Medien weg waren, kam niemand mehr zu den Kursen“. Ähnlich problematisch sei es mit Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund. Viele Eltern melden ihre Kinder einfach für den Schwimmunterricht krank, weil die Gepflogenheiten in deutschen Schwimmhallen bezüglich Badekleidung oder Umziehen nicht ihren religiösen Vorstellungen entspricht.

„Integration durch Schwimmunterricht auf freiwilliger Basis gelingt nicht“, schließt daraus Wendel, „deshalb gehen wir den Weg über die staatliche Institution Schule“. Mit Erfolg: Fast alle Kinder aus den Partnerschulen verlassen die 4. Klasse als stolze Träger des „Seepferdchenabzeichens“. Auch die Kinder der Schule für Hörgeschädigte St. Josef. Das motiviert die Übungsleiterinnen, die sich aber über eine „geringe Wertschätzung“ des kostenlosen Unterrichts von vielen Eltern beklagen. Der SVG würde gerne mehr Kurse anbieten. „Das scheitert aber an fehlenden Wasserflächen, genügend Übungsleitern und am Geld“, sagt Wendel. Ohne die Unterstützung des RotaryClubs Gmünd-Rosenstein könnte der Schwimmverein sein Angebot nicht aufrecht erhalten.

Bericht und Bild: Gmünder Tagespost
Winfried Hofele
08.10.2019